Chorzentrum Berlin-Neukölln

In Neukölln wurde ein leer stehender Bestandsbau in ein Chorzentrum verwandelt. Das Gebäude wurde dazu saniert, umgebaut und in Holzbauweise aufgestockt.

Holz trifft den Ton

20 Mitgliedsverbände, 15 000 Chöre, rund eine Million Mitglieder: Die Szene, die der Deutsche Chorverband vertritt, ist bunt, vielseitig und riesig. In Berlin hat der Verband nun ein Gebäude erworben und umgebaut sowie erweitert, um darin Aktivitäten und Angebote rund um das Singen zu bündeln und die bundesweite Verbandsarbeit weiterzuentwickeln. Nach dem Wunsch des Bauherrn „will und muss das so getaufte Deutsche Chorzentrum vieles gleichzeitig sein: Veranstaltungsort und Treffpunkt, Aus- und Weiterbildungsstätte, Bibliothek, Musikarchiv und Arbeitsstätte des Deutschen und Berliner Chorverbandes“. Ein musikalischer Kindergarten ergänzt das vielfältige Nutzungsgefüge.

Die ursprünglich aus einem fünfgeschossigen Vorderhaus sowie aus einem viergeschossigen Seitenflügel bestehende Bebauung der Karl-Marx-Straße 145 wurde in den 1899/1900er Jahren errichtet. Bis dato diente das Gebäude hauptsächlich Wohnzwecken und stand zuletzt sogar leer. Als es der Deutsche Chorverband kaufte, wies das Gebäude demzufolge eine Reihe an Schäden auf. Sowohl im Vorderhaus als auch im Rückgebäude war das Dach undicht und eindringendes Wasser hatte Decken und Wände in den Geschossen darunter durchnässt. Die Balkenköpfe der Holzbalkendecken waren teilweise verrottet. Im Treppenhaus hatte sich Schimmel ausgebreitet. In den Decken wucherte Hausschwamm.

Um das Bestandsgebäude für kulturelle Zwecke umzunutzen, ließ der Bauherr es daher sanieren und umbauen. Er ließ das Dach im Vorderhaus ausbauen und den Gesamtkomplex durch eine zweigeschossige Aufstockung auf dem Seitenflügel ergänzen. Dank der gewählten Holzbauweise ließen sich die zusätzlichen Geschosse trotz der teilweise schwachen Gründung realisieren.

Während der Bauphase des Chorzentrums wurde auch die U-Bahn-Strecke unterhalb der Straße erneuert.

Projektname: Sanierung und Aufstockung des Deutschen Chorzentrums
Planung: Kaden + Lager
Baumaßnahme: Sanierung & Aufstockung
Adresse: Berlin-Neukölln
Bauweise /Tragstruktur: Holz-Hybridbau
TGA: Integral Projekt GmbH & Co. KG
Beteiligte Holzbaufirmen: Kai Vater Zimmerei und Holzbau

Heutige Aufteilung

In das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss des sanierten Chorzentrums zog eine Kita ein. Hier ist auch eine Küche untergebracht, die den Nachwuchs mit Essen versorgt.

In den Obergeschossen zwei bis fünf fanden Büro- und Besprechungsräume sowie ein Mehrzweckraum Platz. Zur vertikalen Erschließung aller Etagen ließen die mit dem Projekt betrauten Planer von Kaden + Lager die beiden Bestandstreppenhäuser im Vorderhaus und Seitenflügel verlängern und bis ins 4. Obergeschoss weiterführen. In der Kita zogen sie zusätzlich eine interne Treppe ein, die nun beide Ebenen dieses Bereichs miteinander verbindet.

An der Hofseite des Seitenflügels wurden Laubengänge angebaut, über die die Nutzer dieser Bereiche die im 1. und. 2. Obergeschoss angeordneten Räume dieses Trakts begehen können. Eine außen liegende Treppe führt vom Gelände zu den Laubengängen und übernimmt damit gleichzeitig die Aufgabe des zweiten baulichen Rettungswegs.

Die barrierefreie Erschließung aller Geschosse gewährleistet ein neuer Aufzug, der an der Brandwand, direkt im Gelenkpunkt zwischen dem Vorderhaus und dem Seitenflügel, Platz fand. Die Aufzugsüberfahrt überragt die Dachflächen beider Gebäudeteile und verweist als Laterne – nach außen beleuchtet – auf das Gebäude.

Bei der Erweiterung des Bestandsbaus achtete das Planungsbüro darauf, diesen mit dem Neubau zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen, das sowohl das ortstypische und städtebauliche Leitbild respektiert und stärkt als auch das Neue klar herausstellt. Die Bestandsfassade zur Karl-Marx-Straße wurde denkmalgerecht saniert, wobei ihr Erscheinungsbild weitgehend unverändert blieb. Die Fassadenöffnungen des Seitenflügels wurden im Hinblick auf die zukünftige Nutzung teilweise modifiziert. Und die Aufstockung setzt dem vorher schlichten Gebäude ein markantes Haupt auf.

Im Zuge der Sanierung wurde zunächst sowohl das Dach im Vorderhaus als auch das komplette Dachgeschoss des Seitenflügels abgerissen. Auch die unteren Geschosse wurden weitgehend entkernt bzw. die nichttragenden Zwischenwände rückgebaut, um insbesondere im Vorderhaus den großzügigen Raumeindruck des Gründerzeitbaus wiederherzustellen. Die Struktur und Aufteilung der Räume blieb beim Wiederaufbau jedoch grundsätzlich erhalten.

Um die zusätzlichen Lasten aus der Nutzungsänderung und den Ertüchtigungen zu übernehmen, mussten zunächst alle Fundamente des Gebäudes unterfangen werden. Hierzu war es notwendig, die Bestandsgründung in Abschnitten zwischen 50 cm und 1,50 m händisch auszuheben und neu zu unterfüttern.

Zusammen mit einem Holzschutzgutachter erstellte das Planungsbüro im Anschluss ein Sanierungskonzept für die Holzbalkendecken des Bestandsbaus, auf dessen Basis diese saniert und rekonstruiert wurden: gut 60 % der Balken waren derart zerstört, dass sie komplett erneuert werden mussten. Der Rest wurde aufgearbeitet.

Darüber hinaus musste die gesamte Deckenkonstruktion ertüchtigt werden, um die sich aus der Umnutzung ergebenden erhöhten Lasten aufzunehmen und den hier geltenden Anforderungen an den Brand- und den Schallschutz zu genügen. Im Zuge der Nutzungsänderung von Wohnen zu Gewerbe erhielt das Gebäude parallel einen neuen Bodenaufbau sowie Akustikdecken.

Weitere Sanierungsmaßnahmen

Die bestehenden Außen- und Innenwände des Bestands wurden mit Mauerwerk ergänzt und mit mineralischem Putz verputzt. Die Fassade wurde mit einem mineralischen WDVS ergänzt und mit neuen Holzfenstern bestückt.

Den statisch nicht mehr funktionstüchtigen Bestandserker bauten die Handwerker komplett zurück, da die auskragende Doppel-T-Träger-Konstruktion aus Stahl im Bereich der Köpfe verrostet war. An seiner Stelle errichteten die mit den Holzbauarbeiten vetraute Vater Zimmerei und Holzbau einen Erker aus Brettsperrholz (BSP) mit einer K260-Kapselung und einem Gründach in Brettsperrholzbauweise.

Das Dach des Vorderhauses wurde entsprechend den heutigen energetischen und statischen Anforderungen ertüchtigt und – bis auf eine kleine Anhebung – weitgehend unverändert wieder aufgebaut. Zur Ausführung kam dabei eine in Sichtholzqualität ausgeführte Dachkonstruktion aus BSP-Platten. Anstelle des Schrägdachs kamen auf der Hofseite stehende Fassadenfenster zum Einsatz, die den nutzbaren Raum erweitern.

Das Treppenhaus des Vorderhauses wurde von Grund auf saniert. In diesem Zuge arbeiteten die Handwerker auch die Bestandstreppen auf und restaurierten die alten Holztritte sowie das Geländer. Im Seitenflügel schufen die Planer durch eine Aufstockung mit zwei neuen Vollgeschossen in Holzbauweise zusätzlichen Raum.

Quelle: mikado | Unternehmermagazin für Holzbau und Ausbau | Ausgabe Mai 2022 | mikado-online.de